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Dann zieh' doch um!

Mit dem Pferd umziehen - Erfahrungsreise

 

Die Coronavirus-Krise führt uns gerade an unsere Grenzen und auch in der Reiter- und Pferdewelt herrscht Verunsicherung: Darf ich bei Ausgangsbeschränkungen noch zu meinem Pferd? Welche Regeln muss der Stallbetreiber einhalten? Den Stand der Dinge findet ihr in diesem Beitrag von All Your Horses: https://www.allyourhorses.de/blog/post/21/Pferdesport-in-der-Corona-Krise/

Auch das Video-Statement der Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer ist anhörenswert und spricht vielen aus der Seele.

Der ein oder andere Pferdebesitzer überlegt spätestens dann, wenn es im Pensionsbetrieb drunter und drüber geht, den Stall zu wechseln. Ich habe meinen letzten Umzug mit Dynamic glücklicherweise noch über die Bühne gebracht, bevor die Ausgangsbeschränkungen in Sachsen wirksam wurden. Allerdings auch früher als geplant, denn zur Koppelsaison im Mai wollte ich ursprünglich...aber naja - lest selbst! 

Da ich mit meinem Pferd schon ein paar Stallwechsel hinter mir habe, nehme ich euch in einer kleinen Serie von Geschichten mit auf unsere Reise vom Leipziger Stadtrand bis nach Sachsen-Anhalt, ins Muldental und schließlich zurück bis kurz vor Grimma.

 

 

1: Das Idyll zu Fuß verlassen

Gerade dann, wenn man noch nie Verantwortung für ein Pferd übernommen hat, ist der Traum vom unbeschwerten Wendyleben schnell vorbei, wenn die Gesundheit und das Wohlergehen eines solchen Vierbeiners auf einmal von den eigenen Entscheidungen abhängen. Ich wollte ursprünglich nie aktiv ein Pferd besitzen – bis mir vor acht Jahren Dynamic über den Weg lief und mich recht schnell überzeugte, ab jetzt für sie da zu sein und ihr Leben ein bisschen besser zu machen. Sie war von ihren Vorbesitzern und Züchtern vernachlässigt worden, als Dressurpferd für ungeeignet befunden und fünfjährig weggestellt - dem geschuldet wenig bemuskelt, keine grundlegende Ausbildung, medizinisch unterversorgt. Aber ansonsten war sie in einem Idyll mitten im Auwald aufgewachsen - mit ganzjährig Weidegang in einer festen Herde, inmitten ihrer Pferdefamilie und für mich als Reiterin mit sehr guten Trainingsbedingungen.

 

Daher ließ ich sie nach dem Kauf auch zuerst dort stehen. Leider verbrachten wir nur ein schönes Jahr dort und mussten dann fast schon fluchtartig umziehen, weil der Betreiber nach einer Hochwasserflut insolvent war und die Pferde irgendwann gar nicht mehr versorgt wurden. Also kündigte ich fristlos, packte kurzerhand unsere Sachen und wir wanderten zum nächstgelegenen Hof. Dort waren schon andere ehemalige Pensioner untergekommen und es erschien mir das Schonendste für Dynamic zu sein – sie musste nicht den Stress einer Hängerfahrt über sich ergehen lassen. Ich kann es auch heute nur jedem empfehlen: Wenn ihr die Gelegenheit habt, zum neuen Hof zu reiten oder zu laufen, tut es! Das beruhigt einen selber ungemein, denn natürlich ist man aufgeregt und steckt im Zweifelsfall sein Pferd damit an. Wird der Umzug hingegen zu einem kleinen Ausflug, verbindet man das Angenehme mit dem Nützlichen und kommt entspannt am Ziel an (außerdem trainiert das die Pferdemuskeln viel besser als auf dem Hänger stehen).

 

 Dynamics Mutter 

Die richtige Box

Dynamic kam mit der für sie auf dem neuen Hof reservierten Box in einem kleinen Nebengebäude leider überhaupt nicht zurecht. Es war im Nachhinein betrachtet auch kein Wunder – sie hatte ihr ganzes bisheriges Leben in einer großen Box mit Fenster gestanden und konnte das tägliche Geschehen auf dem Hof beobachten. Nun sollte sie im hinteren Teil eines kleinen, recht niedrigen Gebäudes in einer gemauerten Box neben einem fremden Pferd stehen, ohne Fenster – dafür mit halbhohen Wänden. Dynamic trat gegen die Wand, biss um sich und machte den Besitzern der anderen Pferde so richtig Angst. Ich erkannte sie nicht wieder. Eine Holzwand wurde zwischen ihr und dem anderen Pferd eingezogen – nun hatte sie noch weniger Licht in ihrer Nische. Mich beschlich das Gefühl, das es so nicht bleiben konnte. An reiten war gar nicht zu denken, da sie nur noch angespannt war, wenn ich sie aus der Box holte. Das war für mich ein wichtiger Lern-Moment: Egal, was einem andere erzählen – nein, das Pferd muss nicht lernen, damit zurecht zu kommen! Wenn es sich nicht wohl fühlt, wird das auch nicht besser mit der Zeit. Nach ungefähr einer Woche hatte ich mich dazu durchgerungen, die weitaus teurere Fensterbox zu buchen, aus der Dynamic das Geschehen auf dem Hof und die Pferde auf der gegenüberliegenden Seite des Stalltraktes beobachten konnte. Von einem Tag auf den anderen hatte sie sich beruhigt, ließ sich führen und reiten, stand zufrieden mit ihrem Pferdekumpel auf dem Paddock und im Sommer auf den ausreichend großen Koppeln.

 

Widersetzlichkeiten beim Reiten können auch mit der Haltung zusammenhängen.

2: Selbst ist der Einsteller

Da die Pferde immer wieder von den Koppeln ausbrachen, weil kein Strom auf den Zäunen war und kein Wasser auf den Weiden, wir als Besitzer vor oder nach der Arbeit selber tränken fahren mussten und der Pensionspreis sich trotzdem weiter verteuerte: Stallwechsel, der Zweite!

Und hier nun eine zweite Empfehlung: Wenn ihr merkt, dass es drunter und drüber geht in eurem Stall und die Grundbedürfnisse der Pferde unter einem gewissen Chaos leiden bzw. nicht erfüllt werden (Futter, Wasser, ausreichend Bewegung) – diskutiert nicht mit dem Betreiber, er weiß oft schon selbst, was schief läuft. Es bringt auch wenig, alle Tätigkeiten, die das Stallpersonal leisten müsste, selbst zu übernehmen – wie wir das Tränken der Pferde. Im Winter hatten wir sogar Heu zugekauft und auf die Paddocks gefahren...

Es ist aber nicht euer Stall und ihr werdet die Zustände dort auf diese Weise nur verlängern oder indirekt unterstützen. Der richtige Zeitpunkt, sich nach einem anderen Stall umzuschauen, ist spätestens dann gekommen, wenn ihr jede freie Minute am Tag darauf verwendet, in den Stall zu fahren und zu schauen, ob es eurem Pferd gut geht. Machen die anderen Pferdebesitzer es genauso und sind ständig alle verfügbaren Tierärzte der Region im Stall, um die Auswirkungen der nicht optimalen Haltung zu kurieren – noch mehr Warnsignale, um dem Betrieb den Rücken zu kehren. Eine weitere Lehre aus dem Ganzen: Möchte man sein Pferd in Leipzig wirklich artgerecht und seinen Bedürfnissen gemäß unterbringen, gibt es nur ganz wenige Möglichkeiten im Stadtgebiet - oft muss man wohl oder übel einen gewissen Anfahrtsweg in Kauf nehmen und sich im Umland einen Hof suchen.

Das ist auch nicht verwunderlich, denn zu einer artgerechten Pferdehaltung gehören große Flächen für Paddocks oder Koppeln, auf denen sich die Tiere möglichst im Herdenverband bewegen können. Da Bauland in Leipzig sehr begehrt ist, können die wenigsten Höfe sich vergrößern, um das anzubieten. „Handtuchgroße“ Paddocks, auf denen sich die Pferde geradeso drehen können, zu viele Pferde auf zu kleiner Weidefläche und Koppelzeiten von nur wenigen Stunden im Sommer sind also leider immer noch üblich. Studentinnen, die aus „Pferdeländern“ wie Niedersachsen oder Schleswig-Holstein mit ihren Vierbeinern nach Leipzig kommen und einen Stall suchen, können ein Lied davon singen. Sie haben oft ganz andere Erwartungen an einen Pensionsstall, gemessen an den Standards aus ihrer Heimat.

 

Sommer top, Winter flop

 

Eine solche Tiermedizinstudentin hat mich letztendlich bestärkt, für Dynamic einen Stall zu suchen, wo sie wieder in einer größeren Herde auf ausgedehnten Koppeln stehen kann. Da sie gleichzeitig unsere Trainerin war, konnten wir sie glücklicherweise „mitnehmen“ und nur wenige Wochen nach der Ankunft im neuen Stall wieder mit dem Training loslegen. Das ging auch, weil Dynamic frei im Kopf war – wir sind Anfang des Sommers umgezogen, wieder mit einem Ausritt verbunden (diesmal lag der Hof eine Stunde entfernt). Die Integration in die Stutenherde mit bis zu 20 Pferden verlief reibungslos, denn alle hatten genügend Platz, um sich kennenzulernen oder aus dem Weg zu gehen, und genügend Gras, um sich zu beschäftigen. Die Herde wurde seit Jahren von einer Leitstute geführt, die alle Neuen erst einmal beschützte und unter ihre Fittiche nahm. Wenn es sich einrichten lässt, nutzt die Koppelsaison, um es eurem Partner Pferd so leicht wie möglich zu machen. Und schaut euch auf jeden Fall an, wie es im Winter in dem Stall aussieht oder fragt andere Einsteller vor Ort...Der schönste Sommertraum kann sich in der nassen Jahreszeit schnell in einen Albtraum verwandeln!

 

Es gab zwar Laufställe auf dem neuen Hof und Boxen mit Paddock, aber auch eine lange Warteliste dafür – ich dachte mir, Dynamic wird mit einer größeren Abfohlbox zufrieden sein. Im Nachhinein hätte ich mir ohne diese Kompromisslösung einige Tierarzttermine ersparen können, denn so vorbildlich die Haltung der Pferde im Sommer war – im Winter standen sie bis zu acht Stunden auf einem schlammigen Paddock ohne zusätzliches Heu. Dieses Stehen setzte sich bei Dynamic in der Box fort und so hatte sie häufig angelaufene, dicke Fesseln und Beine, also gestaute Lymphflüssigkeit, die nur durch Bewegung abfließen kann. Hier mehr dazu: https://www.4my.horse/fachbeitrag/angeschwollene-beine-im-fellwechsel

Ich musste also im Winter wieder jeden Tag zu ihr fahren, um den Gesundheitszustand zu kontrollieren. Die große Futterpause verursachte Magen- und Darmprobleme, die sich an einem gespannten, aufgeblähten Bauch zeigten. Außerdem war das Pferd ständig gereizt und gab es endlich abends eine Heuration, wurde diese mit Zähnen und Drohen gegen die Boxennachbarn verteidigt. Oft wartete das Stallpersonal früh nicht, bis der letzte seine Heuportion aufgefressen hatte, sondern brachte die Pferde ungeachtet dessen raus. Wer es also nicht rechtzeitig schaffte, seine Ration Heu herunterzuschlingen, hatte Pech und musste stundenlang auf dem Paddock Magengrummeln aushalten. Da nicht nur ich, sondern auch andere Besitzer diese Zustände mit Sorge betrachteten, einige auch schon Koliken bei ihren Pferden auszukurieren hatten, fassten ein paar Tapfere sich ein Herz und redeten mit dem Stallinhaber darüber, eine Heuraufe anzuschaffen. Er war nicht abgeneigt, verlangte allerdings eine Erhöhung des Pensionspreises – und damit waren wieder einzelne Besitzer aus der Nummer raus. Verständlich auf der einen Seite, denn sie kratzten sowieso schon jeden Cent fürs Pferd zusammen – auf der anderen Seite auch wieder fraglich, warum sie sich mit dieser Entscheidung auf das Risiko zu erwartender hoher Tierarztkosten einließen. Da ich das nicht vor hatte, und zum Glück auch einen ehrlichen Tierarzt, der mir zur letzten Konsequenz eines Umzuges riet, wenn ich eine Kolik vermeiden wollte – zog ich zum mittlerweile dritten Mal mit meinem Pferd um.

 

Wenn ihr unzufrieden mit dem Management von Fütterung oder Pflege der Pferde in eurem Stall seid, kann ich nur empfehlen, den eigenen Tierarzt nach seiner Meinung zu fragen. Tierärzte kommen ja viel herum und sehen unterschiedlichste Haltungsformen – die gesundheitlichen Aspekte der eingestellten Pferde kennen sie sowieso. Rät euch der Tierarzt, wie in meinem Fall, ehrlich dazu, eine Alternative zu suchen – überlegt nicht lange! Und habt ihr einen neuen Stall im Auge, kann es nicht schaden, den Veterinär mal nach seiner Einschätzung zu fragen. Auf diese Weise hätte ich wahrscheinlich schon eher von dem Fütterungsproblem auf dem Winterpaddock erfahren. Was euch der Stallbetreiber beim ersten Rundgang erzählt, könnt ihr leider nicht in jedem Fall glauben – als guter Geschäftsmann versucht der eine oder andere, vor allem leerstehende Boxen zu vermieten. Am vertrauenswürdigsten erscheinen die Stallbetreiber, die einem genügend Zeit geben, sich zu überlegen, ob man wirklich mit dem Pferd zu ihnen kommen will. Die auch keinen Druck machen nach dem Motto: Wenn du dich nicht bis dann und dann entscheidest, ist der Platz leider weg. Jemand, der einen sehr guten Pensionsbetrieb führt, wird sich vor Anfragen kaum retten können und muss niemanden „überreden“, sein Pferd auf dem Hof einzustellen.

 

Weiter geht's bald im zweiten Teil der Story: Unser Weg zum Offenstall

 

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